Kurzgeschichte Polens der letzten 200 Jahre

 

CE1772 Karte Ost-Mitteleuropas des Jahres 1772 - Das Königreich Polen ist weiß (Russland grün, Österreich gelb, Sachsen braun und Preußen blau) gekennzeichnet. Die heutigen politischen Grenzen werden durch rote Linien dargestellt. Es wurden auf dieser Karte nur die heutigen Städtenamen in englisch angegeben.

Während der zweiten Hälfte des 18.Jh. war das Königreich Polen ein Land, welches sich vom heutigen Polen in vielerlei Hinsicht sehr wesentlich unterschied. Sein Gebiet umschloß Gebiete, die wir heute unter Litauen, Weißrussland und Ukraine kennen. Andererseits gehörte nahezu die Hälfte des heutigen Polens früher zu Preußen (oder, weniger präzis, zu Deutschland). Seit undenklichen Zeiten waren diese Gebiete von verschiedenen Menschen, verschiedener Religionen bewohnt. Die westlichen und zentralen Gebiete des Königreichs wurden meist von Katholiken, ethnisch polnischer Herkunft besiedelt.

Die katholischen Polen und Litauer lebten im nord-östlichen Gebiet, welches nun die Republik Litauen darstellt.

 Die östlichen Gebiete wurden von byzantinischen Katholiken ruthenisch ethnischen Hintergrunds (heute Weißrussland und Ukraine) und von einer kleinen, aber bedeutenden polnisch-katholischen Minderheit bewohnt.

 Alle Teile des polnischen Königreichs wurden auch von, meist in den Städten lebenden, Juden (ungefähr 10% der Gesamtbevölkerung) bewohnt. Auch andere ethnische Gruppen, z. B. Deutsche, Armenier, Tartaren, Schotten, Niederländer usw. waren ebenfalls präsent.

In den preußischen Provinzen Pommern, Schlesien und Ostpreußen, die heute zu Polen gehören, lebten ebenfalls polnische Minderheiten, obwohl die überwiegende Mehrheit deutschen ethnischen Hintergrunds war.

 Pommern und Ostpreußen waren traditionell evangelisch-lutherisch, Schlesien jedoch überwiegend römisch-katholisch.
 
CE1795 Links: Mittel-Osteuropa 1795 (nach der letzten polnischen Teilung) - Rechts: Die Situation nach dem Wiener-Kongress 1815. Das Gebiet des autonomen Königreichs Polen in hell-grün. CE1815

Zwischen 1772 und 1795 wurde das Gebiet des Könrigreiches Polen zwischen Preußen, Österreich und Russland aufgeteilt. Während der sogenannten polnischen Teilungen erhielt Preußen die westlichen Gebiete Polens, insbesondere diese, welche später in Westpreußen (früher königliches Preußen) und Provinz Posen umbenannt wurden. Die Provinz Posen umfaßte das Gebiet um Posen (Poznan) herum, welches auf polnisch Großpolen (Wielkopolska) genannt wird. Die südlichen Gebiete Polens um Krakau (Kraków) und Lemberg (Lwów/Lviv) herum wurden in das österreichische Imperium integriert und in Galizien umbenannt. Die zentralen und östlichen Gebiete Polens wurde vom russischen Reich übernommen. Nur während einer kurzen Zeitspanne, als Napoleon Bonaparte Zentral- und Osteuropa beherrschte, wurde Polen von ihm als von ihm abhängiges Herzogtum Warschau, aus den von Preußen und Österreich 1793-95 annektierten Gebieten bestehend, wiederhergestellt..

Nach Napoleons Fall wurde der vorherige Zustand im Jahre 1815 weitgehend wieder hergestellt: Das siegreiche Russland übernahm die Kontrolle über den größten Teil des Herzogtums Warschau. Der Zar gründete das neue

Königreich Polen (auch "Kongress-Polen" genannt) unter Gewährung relativ großer Autonomie (aber in Abhängigkeit von Russland). Die ehemaligen östlichen Teile Polens wurden jedoch direkt Russland einverleibt (und die byzantines Katholiken, die dort lebten, wurden gezwungen, zur russischen Orthodoxie zu konvertieren). Die 1815 fixierten Grenzen waren bis über das nächste Jahrhundert hinaus stabil aber viele andere Dinge änderten sich. Das 19.Jh. war die Zeit industrieller Entwicklungen und massiver Wanderungsbewegungen. Die alten polnischen Gebiete (Posen oder "Südpreußen" und Westpreußen) wurden immer weiter eingedeutscht, da immer mehr Deutsche sich dort niederließen. Es wurden polnischerseits einige Versuche unternommen, die Unabhängigkeit wieder zu erlangen, aber alle Aufstände gegen Russland, Preußen und Österreich wurden blutig niedergeschlagen. Dieses war einer der Gründe, daß in den letzten drei Jahrzehnten des 19.Jh. mehr als eine Million Menschen von Polen nach Nordamerika emigrierten.

Der 1.Weltkrieg war eine Katastrophe für alle Reiche, die Polen einst geteilt hatten. Es entstand die unabhängige Republik Polen. Der größte Teil des Königreichs Polen des 19.Jh., ganz Galizien, der größte Teil der früheren preußischen Provinzen Westpreußen und Posen wie auch einige Gebiete des heutigen Weißrußland und Litauen und der Ukraine wurden polnisch. Der überwiegende Teil der deutschen Einwohner der früheren preußischen Provinzen Posen und Westpreußen emigrierte nach Deutschland.
 
CE1920
Karten des östlichen Zentraleuropas - Links: 1920 - Rechts: 2000
CE1995

Als der 2. Weltkrieg begann, wurde Polen durch die totalitär regierten Staaten Deutschland und Russland angegriffen. Polen wurde zwischen ihnen aufgeteilt, und der weitaus überwiegende Teil der polnischen Bevölkerung vertrieben oder verschleppt.

Durch die deutschen Nationalsozialisten wurden ungefähr 90% der polnischen Juden und mehr als eine Millione von Polen umgebracht. Die Sowjets brachten eine vergleichbare Zahl Polen um und verbrachten viele in Konzentrationsläger in Sibirien.

Als diese schreckliche Zeit vorüber war, und der 2.Weltkrieg zu Ende war, wurden in Europa neue Grenzen durch Stalin, Churchill und Roosevelt in Jalta gezogen. Polen verlor ein Drittel seines Vorkriegsgebiets. Es wurde von Russland übernommen. Als "Kompensation" wurde Polen ein großer Teil Deutschlands, und zwar alle Gebiete östlich der Flüsse Oder und Neiße (siehe: Brandenburg, Ostpreußen, Pommern, Schlesien), von den Alliierten übergeben.

Nahezu die gesamte Bevölkerung dieser Gebiete flüchtete noch im 1945 oder wurde dann vertrieben bzw. nach Deutschland umgesiedelt, und die Gebiete von polnischen Flüchtlingen aus den östlichen Gebieten Polens besiedelt, die nicht unter sowjetischer Regierung leben wollten. Hunderttausende von Ukrainern wurde in dieser Zeit gezwungen Polen zu verlassen und sich in der Sowjetunion niederzulassen. Die meisten der Juden, welche die Ausrottungspolitik der NS-Besatzungszeit überlebt hatten, emigrierten nach Israel oder den USA..

Auf Grund dieser Wanderungsbewegungen verfügt Polen heute über praktisch keine ethnischen Minderheiten mehr (total ungefähr 5%). Außer einigen hunderttausend Deutschen (in Schlesien) und einer ähnlichen Anzahl Weißrussen (in den östlichsten Regionen) sowie Ukrainern. Alle übrigen Minderheiten betragen etwa 100.000 Menschen. Diese Situation unterscheidet sich vollkommen von der seiner gesamten früheren Geschichte.


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