Zwei Fuhrleute begegneten sich mit ihren Wagen.
Der Weg war so schmal, dass sie nicht aneinander vorbeifahren konnten.
Da begannen sie zu streiten.
1. Fuhrmann: „Fahre mir aus dem Wege!“
2. Fuhrmann: „Nein, fahre du mir aus dem Wege!“
1. Fuhrmann: „Ich will nicht!“
2. Fuhrmann: „Ich brauche es nicht!“
1. Fuhrmann: „Doch, du sollst aber aus dem Weg fahren!“
2. Fuhrmann: „Nein, ich warte, bis du den Weg freimachst!“
1. Fuhrmann: „Ich mache den Weg nicht frei. Ich war zuerst hier!“
2. Fuhrmann: „Das stimmt nicht! Ich war zuerst hier!“
1. Fuhrmann: „Aber mein Wagen ist so schwer!“
2. Fuhrmann: „Mein Wagen ist noch viel schwerer!“
1. Fuhrmann (drohend): „Du, pass auf! Wenn du mir nicht aus dem Weg fährst, dann mache ich etwas mir dir. Das habe ich heute auch schon mit einem anderen Fuhrmann gemacht!“
2. Fuhrmann (ängstlich): „Nein, das – das kannst du doch nicht machen. Ich will dir ja gern ausweichen, aber du musst mir dabei helfen. Zuerst schieben wir deinen Wagen etwas zur Seite, dann kann ich dir aus dem Weg fahren.“
1. Fuhrmann: „Gut, ich helfe dir. Ich ziehe vorn und du schiebst hinten. – So, das haben wir geschafft. Fahre jetzt aus dem Weg!“
2. Fuhrmann: „Ich habe den Weg freigemacht. Du kannst fahren!“
1. Fuhrmann: „Ja, jetzt komme ich vorbei. Gute Fahrt!“
2. Fuhrmann: „Halt! Erzähle mir noch schnell, was du heute mit dem andern Fuhrmann gemacht hast!“
1. Fuhrmann: „Ja. Der andere wollte mir den Weg nicht freimachen. Nun, da fuhr ich ihm aus dem Wege.“
Johann Peter Hebel (1760–1826)